BREXIT IST EINE HURE

BREXIT IST EINE HURE

Heute nehme ich mir mal die Zeit, Dampf abzulassen, alleine der reißerische Titel tut schon gut 😄. Ein Thema, das in der Presse nur noch als Randnotiz (wenn überhaupt) auftaucht. Klar, momentan beherrscht Corona die Medienlandschaft. Und geht es doch mal um Großbritannien, wird über den jüngst verstorbenen Prinz Philip oder den MEXIT berichtet. Meghan Markle ist mir allerdings ziemlich egal (@Meghan: Wenn du das hier liest, was du sicherlich auch tust, möchte ich dir sagen: Du warst super in Suits!).

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Was mir nicht egal ist, sind die Auswirkungen des Brexits. Auch wenn beim Endverbraucher noch nicht viel davon ankommt, so wird es die Whiskylandschaft nachhaltig beeinflussen. Dabei macht es einen großen Unterschied, ob man ein kleiner Independent Bottler oder ein Großkonzern ist. Wer die Leidtragenden sind und wer von der Situation profitiert, lest ihr in diesem Blogbeitrag. Als kleine Anmerkung möchte ich sagen, dass das meine persönliche Einschätzung ist.

 

WAS IST PASSIERT?

 

Was passiert ist, muss man wohl kaum noch sagen: Mit dem am 24. Januar 2020 unterzeichneten Austrittsabkommen ist Großbritannien aus der EU ausgetreten. Mit Wirkung zum 1. Januar 2021 wurde die Zollunion verlassen und es gelten die neuen Regelungen unter anderem für den Handel. Großbritannien ist nun ein Drittstaat.

Das bedeutet einen erheblichen Mehraufwand:

Es beginnt mit kleinen Änderungen, z. B. wird nun die Einfuhrumsatzsteuer fällig (die kann man mit der Umsatzsteuer verrechnen, ist aber schon ein kleiner Mehraufwand). Natürlich braucht man eine EORI Nummer, aber das hatten wohl die meisten Betriebe bereits vorher. Soweit noch alles im grünen Bereich ...

 

Schon aufwendiger wird es, wenn man sich nun noch mit dem britischen Steuerrecht auseinandersetzen muss. Unser Steuerberater ist hier naturgemäß nicht im Thema, so haben wir uns Stunden um Stunden damit beschäftigt. Wie es genau funktioniert, habe ich, ehrlich gesagt, immer noch nicht verstanden, aber es scheint so zu ein, dass Ware erst in GB versteuert wird, man diese dann aber nach dem abgeschlossenen, verzollten, versteuerten Prozess in der EU wieder zurückfordern kann. Verkopft? Jup.

 

Aber auch die Spediteure haben einen höheren Aufwand und ein höheres Risiko. Für die erste Lieferung nach Deutschland haben wir vorerst überhaupt keine Spedition finden können. Es lagen Angebote über 1.700 GBP pro Palette auf dem Tisch, gewohnt waren wir maximal 400 GBP. Letztlich wurde es ein Betrag in der Mitte, mehr als doppelt so viel wie früher. Man muss verstehen, falsch ausgefüllte oder fehlende Dokumente führen zu mehr Aufwand bei der Spedition, höheren Lagerkosten, weniger Lieferungen können in derselben Zeit durchgeführt werden und so weiter und so fort.

 

Aber nicht nur Ware auf Paletten ist betroffen. Genau wie jedes normale Paket müssen auch Fassproben aus Schottland über den normalen Postweg. Ergo, alles verzögert sich und natürlich ist es prozessual nicht perfekt, wenn ein Fass fröhlich weiter reift und die Fassprobe beim Eintreffen bereits zwei Monate alt ist. Gerade beim Finishing können zwei Monate schon einen großen Unterschied ausmachen.

 

Aber ist das nur mein Empfinden? Ich denke nicht, schaut man auf diese Grafik:

 

Die Exporte aus Großbritannien sind im Januar-Vergleich massiv eingebrochen. -63% Whisky kam im Januar 2021 im Vergleich zu Januar 2020 in die EU.

 

Eines ist klar, ganz so drastisch wird es nicht bleiben. Da kamen ein Anfangs-Schock, ein später Brexit-Deal und eine Prise Corona-Probleme ungünstig zusammen.

Wir bleiben also hoffnungsvoll, dass sich die Lage zumindest einschwingen wird. An den Papierkrieg müssen wir uns einfach gewöhnen.

 

WER SIND DIE VERLIERER?

 

Die Verlierer sind schnell gefunden: Wir 😅. Ich spreche hier sowohl als Whiskygenießer als auch als Unternehmer. Der Spirituosenmarkt wird von wenigen Großkonzernen dominiert. Konzerne haben ihre eigenen Steuerfachleute, Justiziare und Experten. Die kleinen One-Man-Shows müssen diese Aufgaben nun on-top erfüllen oder die Kosten für Berater zahlen. Außerdem macht es einen riesigen Unterschied, ob man einen ganzen Container voll Whisky importiert oder nur Stückgut auf Palette. Hier haben Konzerne einen großen Vorteil. Aber das wird sich nur indirekt auf den Verbraucher auswirken. Die direkten und sofortigen Auswirkungen bei Bestellungen aus Großbritannien haben unsere Freunde von den Whiskyexperts bereits vorgestellt (siehe hier "Vorsicht, Falle! Whisky online kaufen in Großbritannien"). Was hier zusammenkommt, sind höhere Kosten bei den Importeuren und höhere Kosten durch Zoll/Steuern.

 
All diese Gründe werden wohl auf kurz oder lang zu höheren Endkundenpreisen führen.
 

WER SIND DIE GEWINNER?

 

Ich muss schon tief in mich gehen, um über „Gewinner“ des Brexits schreiben zu können. Aber wo Verlierer sind, sind auch immer Gewinner. So berichtete mir z. B. ein Freund aus einem großen börsennotierten Spirituosenkonzern von einem sehr interessanten Trend: Dort shiftet man das Marketingbudget gerade massiv weg vom Whisky und hin zu anderen Spirituosen. Sprich: Tequila, Calvados, Wodka, Rum, Gin usw. bekommen mehr Aufmerksamkeit, weil mehr Werbung für sie gemacht wird.

Und natürlich haben wir auch ganz wunderbaren Whisky im eigenen Land! Z. B. Nine Springs und St. Kilian Distillers - um zwei zu nennen - haben nun eine historische Chance.

 

WAS LERNEN WIR DARAUS?

 

Ja, was lernen wird daraus … Aus Sicht der Konzerne ist es wohl, dass es gut ist, auf vielen Standbeinen zu stehen. Aus Sicht der kleinen unabhängigen Abfüller ist es, dass jammern nichts bringt und man aus jeder Situation seine Lehren ziehen muss. Aus Sicht der Endkunden ist es, dass Whisky in absehbarer Zeit nicht günstiger wird (wohl eher teurer).

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